Konzept

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Projektbeschreibung: Anlaufstelle & Krisenräume in Bremen

1. Einleitung

In Bremen, einer Stadt mit vielfältigen (sozial)-psychiatrischen Angeboten, besteht trotz zahlreicher ambulanter Hilfestrukturen gravierende Versorgungslücken. Menschen in akuten psychischen Krisen finden häufig keinen passenden, niedrigschwelligen und selbstbestimmten Zufluchtsort. Besonders betroffen sind Menschen mit belastenden Erfahrungen im psychiatrischen System, wohnungslose Menschen, queere Menschen, drogen-konsumierende Personen, Migrant*innen und junge Erwachsene.

Unsere Anlaufstelle mit Krisenzimmern ist ein von Betroffenen selbstorganisierter Ort gegenseitiger Unterstützung, der alternative Wege in der Krisenbewältigung ermöglicht – jenseits von Zwang, Stigmatisierung und Hierarchien. Sie basiert auf Expertise aus Erfahrungen, Selbsthilfe, Freiwilligkeit, Solidarität, kollektiver Verantwortung und einem würdevollem Umgang in der Krise. Unser Anspruch ist es, einen sicheren Ort zu schaffen – für Menschen in Bewegung, in Entwicklung und in der Krise.

2. Kernpunkte des Projekts

  • Niedrigschwelliger Zufluchtsort für Menschen in seelischer Not.
  • unbürokratisch, unabhängig von Diagnose, Krankenkassen-Versicherung und Aufenthaltsstatus.
  • Fachlich und menschlich begleitet: Vor Ort arbeiten Peers (Menschen mit eigener Krisen und Psychiatrie-Erfahrung).
  • Krisenräume: Rückzugsorte mit wohnlicher Atmosphäre – kein klinischer Charakter.
  • Stärkung von Selbsthilfe und Peer-Begleitung.
  • Empowerment statt Pathologisierung.
  • Freiwilligkeit statt Zwang: Niemand wird zu einer Therapie, Diagnose oder Medikation gedrängt. Die Hilfe basiert auf Beziehung, Vertrauen und Selbstbestimmung.
  • Vermeidung von Klinikaufenthalten durch präventive Krisenintervention.

3. Blick nach NRW

In NRW existieren bereits seit vielen Jahren Peer-geleitete Anlaufstellen mit Krisenzimmern in Bochum, sowie in Köln. Viele Menschen konnten sich stabilisieren und von einem (akuten) Krisenzustand erholen und fanden eine Community, die ihnen Halt gibt. Unser Konzept orientiert sich am Bochumer Modell, dessen Wirksamkeit durch eine Beforschung der Medizinischen Hochschule Brandenburg Fontaine zwischen 2017 und 2020 belegt werden konnte.

( https://bpe-online.de/broschuere-hilfe-jenseits-der-psychiatrie-die-bochumer-krisenzimmer/ )



Projektbeschreibung

Anlaufstelle und

Krisenräume in Bremen

AG Krisenräume ( AG vom LVPE Bremen e.V.)

Kontakt: krisenzimmer@lvpe-bremen.de

LVPE Bremen e.V.

Kontakt: vorstand@lvpe-bremen.de

LVPE Bremen e.V.

Landesverband

Psychiatrie-Erfahrener

Bremen e.V.

  • Ein Krisenaufenthalt kann seitens des Teams (vorzeitig) beendet werden, z.B. bei massivem grenzüberschreitendem Verhalten, bei fortgesetztem Konsum von THC-haltigen Produkten, illegalen Suchtstoffe oder Alkohol trotz Rücksprache oder wenn es zu keinem zielführenden Miteinander zwischen dem Team und Krisenbewohner*innen kommt.

5.3 Programmangebot der Anlaufstelle

Wöchentlich:

  • Offenes Café
  • Selbsthilfegruppe Psychiatrie-Erfahrener
  • Achtsamkeits- & Meditationsgruppe
  • Computertreff

Regelmäßig:

  • Kreativ-Angebote, Filmabende, Spieleabende, gemeinsames Kochen, Lesungen, Chor, Ausflüge
  • Seminare & Austauschformate
  • Beteiligung an Projekten im Stadtteil
  • offenes Plenum

5.4 Rahmenbedingungen

Die Idee einer betroffen-kontrollierten Anlaufstelle kommt aus der Selbsthilfe. Das Konzept sieht es nicht vor, das Mitarbeiter*innen der Anlaufstelle rund um die Uhr vor Ort sind. Es ist angestrebt, ein Notfalltelefon vom Anlaufstellen-Team einzurichten, so dass auch z.B. abends Menschen für die Krisenbewohner*innen zu erreichen sind. In Ausnahmesituationen während einer Krise kann auch geplant werden, spontan eine Nachtbegleitung anbieten zu können, so dass ein Krisenaufenthalt nicht scheitert. Dies soll jedoch keine Regelsituation sein.

Möglichst sind Mitarbeiter*innen zu verschiedenen Tageszeiten vor Ort und nach Absprache mit den Bewohner*innen können individuelle Zeiten vereinbart werden.

Es sollen möglichst viele Aktive einen Schlüssel/Zugang zur Anlaufstelle haben, damit auch spontan die Räumlichkeiten über das Programm hinaus genutzt werden können.

So soll es auch Platz für spontane Sofa-Übernachtungen geben. Manchmal reicht schon ein kurzer Tapetenwechsel, damit es einem besser geht.

Drogen- und Alkoholkonsum ist in unseren Räumlichkeiten untersagt.

Ein angeschlossenes Gartenprojekt und ein geplantes Selbsthilfeangebot für Eltern mit psychischen Krisenerfahrungen sollen das Projekt zukünftig erweitern.

6. Zielgruppe

Das Angebot der Anlaufstelle und der Krisenzimmer richtet sich an Menschen mit Krisen- und Psychiatrie-Erfahrungen. Menschen in akuten seelischen Krisen und psychischen Belastungssituationen können zu uns kommen. Unser Angebot richtet sich an Menschen ohne ausreichendes soziales Netz, oder als Anschlussperspektive nach Klinikaufenthalten ohne Anschlussversorgung. Auch möchten wir Menschen mit Wohnungslosigkeit oder instabiler Wohnsituation und Menschen mit Flucht-/Migrationserfahrung im Kontext psychischer Krise unterstützen. Für Angehörige stehen wir ebenfalls beratend zur Seite.

7. Selbstverständnis

Ein respektvoller, sensibler und solidarischer Umgang miteinander ist für uns grundlegend. Das bedeutet auch: Dominantes Verhalten und übergriffige Kommunikationsweisen werden thematisiert. Psychiatrische Sprache und Diagnosen werden in unserer Anlaufstelle anderen Menschen nicht übergestülpt oder als Machtinstrument eingesetzt.

7.1 Haltung in Bezug auf Krisen

  • Krisen sind kein individuelles Versagen, sondern Ausdruck komplexer Wechselwirkungen zwischen innerer Welt und äußeren Umständen. Wir lehnen es ab, Krisen ausschließlich über Diagnosen zu erklären. Vielmehr reflektieren wir gesellschaftliche Bedingungen wie Armut, Diskriminierung oder Gewalterfahrungen als zentrale Ursachen von Krisen. Sehen in Krisen aber auch das Potential zu Veränderung und Entwicklung.
  • Krisenbewältigung bedeutet für uns: Selbstverantwortung und Gemeinschaft. Auch in der Krise bleibt der Mensch für sich selbst verantwortlich – das respektieren wir und unterstützen gleichzeitig solidarisch.
  • Unsere Krisenzimmer sind ein niederschwelliger Rückzugsort für Menschen in akuten Belastungssituationen. Sie sind kein therapeutisches Angebot, sondern ein Ausdruck gelebter Selbsthilfe und Solidarität.
  • Suizidgedanken sind ausdrücklich kein Ausschlusskriterium. Angestellte Menschen sollen im Umgang mit Suizidalität geschult werden und Suizidalität soll ausreichend Raum in Besprechungen finden.

7.2. Leitlinien des Projektes:

  • Niemand wird zu etwas gedrängt – Entscheidungen liegen immer bei der betroffenen Person.
  • Jeder Mensch bringt Kompetenzen, Erfahrungen und Ressourcen mit.
  • Empowerment: Ziel ist es, Menschen darin zu unterstützen, wieder handlungsfähig zu werden – nicht sie zu lenken.

Partizipation: Betroffene gestalten und tragen das Projekt.4. Sozialraum und Gemeindepsychiatrische Verbünde (GPV)

  • Systemkritisches Menschenbild: Statt Pathologisierung steht der Mensch mit seiner Biografie im Mittelpunkt.
  • Krisen als menschliche Reaktionen auf widrige Umstände und Krise als Entwicklungsmöglichkeit.
  • Schutz vor psychiatrischen Diagnosen oder Zwangsmaßnahmen.
  • Die Anlaufstelle versteht sich als Schutzraum für alle Menschen – insbesondere für diejenigen, die gesellschaftlich marginalisiert werden. Unsere Haltung basiert auf einem klaren `Nein´ zu Ableismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus. Wir setzen uns aktiv gegen jede Form von Diskriminierung ein.

7.3. Leitfaden für Gespräche mit Krisenbewohner*innen wird aktiv genutzt

  • Gespräche sollen ressourcen- und lösungsorientiert sein.
  • Keine vorschnellen Bewertungen – achtsames Nachfragen statt Deutungshoheit.
  • Wertschätzung statt Defizitorientierung.
  • Vertrauen braucht Wiederholbarkeit – Inhalte früherer Gespräche können jederzeit aufgegriffen werden.

Dieses Konzept entstand seit Oktober 2024 durch die AG Krisenräume Bremen. Wesentliche Inhalte wurden am Konzeptionstag mit der Fabrik der Gesundheit “ Anlaufstelle und Krisenräume für Bremen“ am 24.5.2025 zusammengetragen und von Özden Ohlsen, der Geschäftsführerin der Fabrik der Gesundheit verschriftlicht.

(Stand Juli 2025)

Die Anlaufstelle ist Teil der Nachbarschaft. Aktivitäten und Angebote entstehen durch und für die Menschen, die dort leben. Die Belegschaft kennt das Lebensumfeld der Betroffenen und ist Teil davon.

Die Vernetzung und der Austausch im Gemeindepsychiatrischen Verbundes (GPV) sind wichtiger Bestandteil der Arbeit. Dafür stehen wir in engem Kontakt mit den unabhängigen Fürsprache- und Beschwerdestellen sowie Angehörigen- und weiteren Betroffenenvertretungen.

5. Projektplanung

5.1 Die Räume der Anlaufstelle

Die Anlaufstelle soll in einer zentral gelegenen Wohnung oder Gewerbeeinheit mit ca. 150 m² mit guter ÖPNV Anbindung in Bremen entstehen.

Die Räumlichkeiten sollen möglichst barrierefrei sein, damit z.B. auch Rollstuhl-Nutzer*innen auf das Angebot zurückgreifen können. Sie werden häufig im gängigen Hilfesystem übersehen und ausgegrenzt.

Die Anlaufstelle soll Platz bieten für:

  • zwei Krisenzimmer,
  • 1- 2 Gemeinschaftsräume, Gemeinschaftsküche, Bad, Büro und
  • Platz für Sofa-Übernachtungen.

5.2 Die Krisenzimmer

  • In der Anlaufstelle sollen zwei Krisenzimmer eingerichtet werden. Die Zimmer sollen über eine möglichst gemütliche Grundausstattung verfügen.
  • Die Krisenzimmer stehen Menschen in akuten Krisen bis zu drei Monate zur Verfügung.
  • Für die Krisenbewohner*innen ist der Aufenthalt kostenfrei (Lebensmittel in Selbstverantwortung).
  • Die Aufnahme wird vom Anlaufstellen-Team entschieden und ist unabhängig von Diagnosen, Krankenkasse, etc..
  • Ziel: zur Ruhe kommen, stabilisieren, gegebenenfalls neue Perspektiven entwickeln.
  • Soziale Kompetenzen (wieder) erlernen, Selbstwirksamkeit durch Engagement erfahren, Akzeptanz in einer Gemeinschaft erfahren, Empowerment.
  • Das Team der Anlaufstelle steht beratend, unterstützend und begleitend zur Seite. Wünschenswert ist die Beteiligung an den Angeboten der Anlaufstelle, so wie es möglich ist.
  • Die Erfahrungsexpertise der Bewohner*innen wird geschätzt und genutzt, um anderen zu helfen.